Grenzwanderweg im Landkreis Hildburghausen
Wappen

Gedenkveranstaltung am 8. und 9. Juni 2002
in Streufdorf

„Gegen das Vergessen — 5. Juni 1952 und
3. Oktober 1961 — Vertreibung und Flucht aus Streufdorf“

Blumengebinde von Betroffenen, Quelle: Gemeindearchiv
Blumengebinde von Betroffenen Quelle: Gemeindearchiv


Am 5. Juni des Jahres 2002 jährte sich ein schreckliches Ereignis zum 50. Mal. Aus diesem Anlass führten die Betroffenen, die Kirchgemeinde und die politische Gemeinde eine Gedenkveranstaltung durch. Die Gedenkfeier fand am 8. Juni 2002 in Streufdorf statt. Der Platz des Hauptgeschehens trägt seither den Namen „5. Juni 1952“. Auf dem Kirchberg wurde ein Gedenkstein für die Opfer des Terrors eingeweiht.

Vorgeschichte zum Anlass:

In zwei groß angelegten Aktionen — Juni 1952 und Oktober 1961 — wurden zehntausende Menschen aus dem Sperrgebiet ins Landesinnere der DDR zwangsausgesiedelt. Die Aktion von 1952 mit dem unsinnigen Namen „Ungeziefer“ ging auch an den Ortsteilen der Gemeinde Straufhain nicht vorüber. Speziell Streufdorf war davon betroffen. Bürger von Streufdorf, die Verwandte in der Bundesrepublik hatten, die Post oder Pakete von dort erhielten, von denen ein Familienmitglied in den Westen geflüchtet war oder die irgendwann etwas Unbedachtes geäußert hatten, waren bevorzugte Opfer dieser Aktion.

Am frühen Morgen des 5. Juni begann die Zwangsevakuierungsaktion „Ungeziefer“. Streufdorf war im Sinne der sozialistischen Machthaber keine bequeme Gemeinde. Der damalige CDU-Bürgermeister Fritz Pfeiffer handelte nicht im Sinne der DDR-Machthaber und wurde später selbst Opfer der Aussiedlung. Die Streufdorfer Einwohner wehrten sich massiv gegen die Zwangsevakuierung. Als die Räumungskommandos anrückten, läuteten die Kirchenglocken zum Sturm; erstmals 5 Uhr in der Früh und noch weitere Male am Tag. Die Menschen verteidigten ihr Dorf mit Heugabeln, Sensen und Stöcken. Es wurden Barrikaden aus Heuwagen und anderen landwirtschaftlichen Geräten errichtet. Schuldirektor Herbert Böhm gab den Schülern der Klassen 7 und 8 den Auftrag, die mit Möbelstücken beladenen Fahrzeuge wieder zu entladen. Der Bürgermeister veranlasste nicht nur, dass die Fahrzeuge angehalten wurden, sondern er verhinderte auch, dass sie wieder zurück konnten.

Die Polizisten, die seitlich auf den LKWs standen, wurden teilweise entwaffnet. Zum Schusswaffeneinsatz kam es „Gott sei Dank“ nicht. Der Widerstand eskalierte und die Staatsmacht rief die Bereitschaftspolizei aus Meiningen zu Hilfe. Diese rückten gegen 11 Uhr mit Wasserwerfern an und der Widerstand wurde mit brutaler Gewalt gebrochen. Wer sich auffällig gezeigt hatte, wurde festgenommen, auf LKWs geladen und in Untersuchungshaft abtransportiert. Es wurden noch mehr Bürger ausgesiedelt als ursprünglich vorgesehen waren, so auch der Schuldirektor. Die VP beseitigte die Straßensperren und nahm unter unvergleichbarem Terror Frauen und Männer des Ortes fest. SED-Funktionäre stürmten mit vorgehaltener Pistole und wüsten Beschimpfungen die Häuser. Unter Fußtritten, Schlägen und Beschimpfungen wurden die Beschuldigten auf LKWs verladen. Die Menschen wurden beispielsweise mit den Worten terrorisiert: „Wenn sich die Schweine rühren, werden sie sofort umgelegt!“. Sämtliche Papiere, Wertgegenstände wurden den Opfern abgenommen. Unsagbares Leid lag über der Gemeinde. Doch damit war die Aussiedlungsaktion in Streufdorf noch nicht abgeschlossen.

„Im Namen des Volkes“ verhängte das Bezirksgericht Suhl am 23. September 1952 gegen 3 Streufdorfer in einem Schauprozess hohe Zuchthausstrafen. Landwirt Franz Bauer wurde zu 8 Jahren, Schneider Franz Höhn zu 6 Jahren und Tischler Werner Schmidt zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Den 20 zwangsevakuierten Familien folgten noch 15 weitere Familien, alle getrieben von der Angst vor weiteren Deportationen in das Landesinnere.

Die Terrormaßnahmen der SED-Machthaber hatten ihr Ziel erreicht. Systemtreue Bürger aus dem Hinterland füllten die Lücken wieder auf.

Nichts war mehr so, wie vor dem 5. Juni 1952. Trotzdem ließ man Streufdorf noch nicht in Ruhe: Am 3. Oktober 1961 wurden weitere Familien bei der Aktion „Kornblume“ vertrieben.



Information:
www.gemeinde-straufhain.de

Einkehrmöglichkeiten in Streufdorf:

  • Eiscafé Rittweger
    Fon 036875 – 69306
  • Café in der Kaiser-Bäckerei
    Fon 036875 – 60029
  • „Holzbergschenke“ Erdenbrecher
    Fon 036875 – 60142

Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeit in Eishausen:

  • Kulturhaus Eishausen
    Fon 03685 – 401886
    (Montag Ruhetag)

Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeit in Stressenhausen:

  • Landgasthof Familie Stricker
    Fon 03685 – 703002

Einweihung des Gedenksteins, Quelle: Gemeindearchiv
Einweihung des Gedenksteins
Quelle: Gemeindearchiv

Gedenkfeier mit Bernhard Vogel und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Quelle: Gemeindearchiv
Gedenkfeier mit Bernhard Vogel und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Quelle: Gemeindearchiv



Hirschkäfer, Zeichnung: B. Faust
Hirschkäfer Zeichnung: B. Faust

Markant überragt das Waldgebiet Straufhain nordöstlich von Seidingstadt die Landschaft. Wie die Gleichberge bei Römhild ist der Bergkegel im Tertiär durch austretende Lava entstanden. Während der nachfolgenden geologischen Abtragungsvorgänge blieb das widerstandsfähige Gestein des Basaltschlotes erhalten. Der Straufhain gehört zu dem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Wälder im Grabfeld“ und liegt damit in dem Schutzgebietsnetz NATURA 2000 der Europäischen Union. Ziel dieses Netzes ist es, die natürlichen Lebensräume sowie den Bestand der Tier- und Pflanzenarten mit europäischer Bedeutung in einem guten Zustand zu erhalten oder diesen wiederherzustellen. Die ausgedehnten, strukturreichen Laubwälder des Gebietes besitzen bedeutende Tier- und Pflanzenvorkommen, zum Beispiel Hirschkäfer und Grünes Besenmoos.